Atkinson-Maß

Mit Atkinson-Maß (nach Anthony Atkinson [1944–2017]) werden eine Menge von Ungleichverteilungsmaßen bezeichnet, mit denen beispielsweise die Einkommens- oder Vermögensungleichheit in einer Gesellschaft berechnet werden kann.

Ursprung/Geschichte

Der von Hugh Dalton eingeführte Dalton-Index D {\displaystyle D} ist nicht invariant gegenüber positiven linearen Transformationen der persönlichen Einkommenswohlfahrtsfunktionen.

Atkinson hat 1970 versucht, den Index so neu zu definieren, dass er die entsprechende Invarianz aufweist.

Definition

Jedem Atkinson-Maß liegt eine konkave Nutzenfunktion zugrunde. Wie stark das Atkinson-Maß auf Ungleichheiten reagiert, wird von dieser zugrunde gelegten Nutzenfunktion bestimmt.

Üblicherweise wird eine Arrow-Wohlfahrtsfunktion verwendet, die durch einen die Ungleichheitsaversion angebenden Parameter ε {\displaystyle \varepsilon } festlegt, wie groß der Wohlfahrtsunterschied eines zusätzlichen Euros zwischen einer Person mit einem hohen und einem niedrigen Einkommen ist. Je größer Epsilon ist, desto stärker reagiert das Atkinson-Maß auf Ungleichheit. Ist ε = 0 {\displaystyle \varepsilon =0} bedeutet dies, dass die Verteilung der Einkommen gesellschaftlich gesehen unerheblich ist.

Dieser Atkinson-Index ist wie folgt definiert:

A = A ε = A ε ( y 1 , , y n ) = { 1 für   ε = 0 1 1 μ ( 1 n i = 1 n y i 1 ε ) 1 / ( 1 ε ) für   ε > 0 ε 1 1 1 μ ( i = 1 n y i ) 1 / n für   ε = 1 , {\displaystyle A=A_{\varepsilon }=A_{\varepsilon }(y_{1},\ldots ,y_{n})={\begin{cases}1&{\mbox{für}}\ \varepsilon =0\\1-{\frac {1}{\mu }}\left({\frac {1}{n}}\sum _{i=1}^{n}y_{i}^{1-\varepsilon }\right)^{1/(1-\varepsilon )}&{\mbox{für}}\ \varepsilon >0\land \varepsilon \neq 1\\1-{\frac {1}{\mu }}\left(\prod _{i=1}^{n}y_{i}\right)^{1/n}&{\mbox{für}}\ \varepsilon =1,\end{cases}}}

wobei y i {\displaystyle y_{i}} das individuelle Einkommen (i = 1, 2, …, N) und μ {\displaystyle \mu } das Durchschnittseinkommen ist.

Eigenschaften

Der Atkinson-Index hat folgende Eigenschaften:

  1. Symmetrie in den Argumenten: A ε ( y 1 , , y N ) = A ε ( y σ ( 1 ) , , y σ ( N ) ) {\displaystyle A_{\varepsilon }(y_{1},\ldots ,y_{N})=A_{\varepsilon }(y_{\sigma (1)},\ldots ,y_{\sigma (N)})} für alle Permutationen σ {\displaystyle \sigma } .
  2. Der Index liegt zwischen Null und Eins. 0 A 1 1 {\displaystyle 0\leq A_{1}\leq 1} und 0 A ε 1 n ϵ < 1 {\displaystyle 0\leq A_{\varepsilon }\leq 1-n^{-\epsilon }<1} für alle ε 1 {\displaystyle \varepsilon \neq 1}
  3. Der Index ist nur bei Einkommensgleichheit Null: A ε ( y 1 , , y N ) = 0 {\displaystyle A_{\varepsilon }(y_{1},\ldots ,y_{N})=0} gdw. y i = μ {\displaystyle y_{i}=\mu } für alle i {\displaystyle i} .
  4. Invarianz gegenüber Vervielfachung: Wird die Population (mehrfach) identisch repliziert, bleibt der Index gleich: A ε ( { y 1 , , y N } , , { y 1 , , y N } ) = A ε ( y 1 , , y N ) {\displaystyle A_{\varepsilon }(\{y_{1},\ldots ,y_{N}\},\ldots ,\{y_{1},\ldots ,y_{N}\})=A_{\varepsilon }(y_{1},\ldots ,y_{N})}
  5. Invarianz gegenüber Inflation: Werden alle Einkommen mit einer positiven Konstante multipliziert, bleibt der Index gleich: A ε ( y 1 , , y N ) = A ε ( k y 1 , , k y N ) {\displaystyle A_{\varepsilon }(y_{1},\ldots ,y_{N})=A_{\varepsilon }(ky_{1},\ldots ,ky_{N})} für alle k > 0 {\displaystyle k>0}
  6. Der Index lässt sich in Untergruppen zerlegen.[1] Es gilt

A ε ( y g , i g : i g = 1 , , n g ; g = 1 , , G ) = g = 1 G w g A ε ( y g , 1 , , y g , n g ) + A ε ( μ 1 , , μ G ) {\displaystyle A_{\varepsilon }(y_{g,i_{g}}:i_{g}=1,\ldots ,n_{g};g=1,\ldots ,G)=\sum _{g=1}^{G}w_{g}A_{\varepsilon }(y_{g,1},\ldots ,y_{g,n_{g}})+A_{\varepsilon }(\mu _{1},\ldots ,\mu _{G})} , wobei G {\displaystyle G} die Anzahl der Untergruppen angibt, μ g {\displaystyle \mu _{g}} das Durchschnittseinkommen der Untergruppe g {\displaystyle g} , und die Gewichte w g = f ( μ g , μ , N , N g ) {\displaystyle w_{g}=f(\mu _{g},\mu ,N,N_{g})} für eine von der konkreten Situation unabhängige Funktion f.

Anwendung

Für den sich aus der „verallgemeinerten Entropie-Klasse“[2] mit ε = 1 {\displaystyle \varepsilon =1} ergebenden Theil-Index I 1 {\displaystyle I_{1}} gilt, dass er in ein von Atkinson entwickeltes Entropiemaß[3] umgewandelt werden kann, das in der Literatur auch als „normalisierter Theil-Index“ auftrat.[4] Das Maß errechnet sich aus der Funktion 1 e T {\displaystyle 1-e^{-T}} .

Siehe auch

  • Champernowne-Index

Literatur

Originalaufsatz:

Zur Vertiefung:

  • Yoram Amiel: Thinking about inequality. Cambridge 1999.
  • Frank Alan Cowell: Measurement of Inequality. In: Anthony B. Atkinson, François Bourguignon (Hg.): Handbook of Income Distribution. Bd. 1, Amsterdam et al. 2000. S. 87–166.
  • Amartya Sen, James Eric Foster: On Economic Inequality. Oxford University Press, Oxford 1996. ISBN 0-19-828193-5. (Python script mit wichtigen Formeln aus dem Buch, darunter auch Formeln zur Berechnung des Atkinson-Indexes)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Shorrocks, AF (1980). The class of additively decomposable inequality indices. Econometrica, 48 (3), 613-625, doi:10.2307/1913126.
  2. „Generalized Entropy Class“, Janes E. Foster im Annex A.4.1 (S. 142) von Amartya Sen: On Economic Inequality. 1973/1997.
  3. Anthony B. Atkinson entwickelte verschiedene Maße. Das mit dem Theil-Index verwandte Maß findet sich bei Lionnel Maugis in: Inequality Measures in Mathematical Programming for the Air Traffic Flow Management Problem with En-Route Capacities (Veröffentlichung für IFORS 96). 1996.
  4. Juana Domínguez-Domínguez, José Javier Núñez-Velázquez: The Evolution of Economic Inequality in the EU Countries During the Nineties (Memento vom 25. März 2009 im Internet Archive; PDF; 330 kB)